VHS

Vortrag SS 2010, 01.07.
Dr. Reinhart Gruhn

Die arabische Kultur des „Goldenen Zeitalters“

Teil I



Islamische Philosophie

Vor der Entfaltung der lateinischen Scholastik besteht eine arabische und innerhalb derselben auch jüdische akademische Hochkultur, durch welche auch zahlreiche griechische Texte vermittelt, interpretiert und fortgeschrieben werden. Auch in der Medizin, den Naturwissenschaften, der Mathematik, der Jurisprudenz, der Logik usw. holt die westlich-lateinische erst im 12. und 13. Jahrhundert gegenüber der arabischen Kultur auf.

Periode

Philosoph

Philosophie

Allgemeine Geschichte

800–870

Alkindus (Al-Kindi)

  • Übersetzte griechische Texte, begründet die arabische Philosophie

  • befasste sich u.a. mit peripatetischer Naturphilosophie

  • um 570–632 Mohammed

  • 749 Beginn der Herrschaft der Abbasiden

864–925

Rhazes (Al-Razi)

  • Bedeutender persischer Arzt, Naturwissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller

870–950

Alpharabius (Al-Farabi)

  • Übersetzt und vermittelt griechische Philosophie

  • versucht eine Synthese von dem, was er für aristotelisch und platonisch hält

  • befasste sich auch mit Mathematik und Musik

980–1037

Avicenna (Ibn Sina)

  • Systematische Ausarbeitung der Ansätze Farabis

  • Konzeptualismus und Emanation

  • 1085 Toledo wird von den Christen erobert.

1058–1111

Algazel (Al-Ghazali)

  • Persischer, ash'aritischer Theologe und Philosoph

  • greift zahlreiche maßgeblich durch Avicenna vertretene Lehren an


1126–1198

Averroës (Ibn Ruschd)

  • Aristoteleskommentare (für die lateinische Philosophie des Mittelalters „Der Kommentator“)

  • Es gibt genau einen aktiven Intellekt

  • Philosophie ist eine religiöse Pflicht für Intellektuelle, aber die Religion vermittelt die Wahrheit allen

  • verteidigt einen radikalen "Aristotelismus" gegen al-Ghazali

1332–1406

Ibn Chaldun

  • Arabischer Historiker

  • Beschreibt geschichtliche Zusammenhänge mit Interessen, die heute "soziologisch" heißen würden



Die arabische Medizin – Pflanzenheilkunde des Alten Orients und die Entwicklung der Grundlagen moderner Medizin


Spätestens seit „Der Medicus“ Ende der 80er Jahre die Bestsellerlisten anführte, ist einer breiten Öffentlichkeit in Europa ins Bewusstsein gelangt, was bis dahin nur interessierte Mediziner und Medizinhistoriker wussten: Die Medizin des arabisch-islamischen Mittelalters war der im Abendland geübten zeitgenössischen Heilkunst um Jahrhunderte voraus. Aufbauend auf dem umfangreichen medizinischen Wissen der Inder, Perser, Griechen, des alten Orients und früharabischer Heilkunde der Wüste überlieferten und entwickelten die alten Araber in der kulturellen und wissenschaftlichen Blütezeit der islamischen Hochkultur zwischen dem 8. und 12. Jahrhundert fundierte medizinische Kenntnisse, die seinerzeit beispiellos blieben. Abendländische Mönche, die Übersetzerschulen in Toledo (Spanien) und die Medizinschule in Salerno (Sizilien) machten die arabische Medizin im Abendland  bekannt, bis sie als eine wichtige Grundlage der modernen europäischen Medizin im heutigen Sinne europaweit Bedeutung erlangte.
Neben einer bereits ausgeklügelten Anamnese-Erhebung und einem enormen Heilpflanzenwissen kannten die arabischen Ärzte bereits das Prinzip der „Visite“ im heutigen Sinne und moderne Krankenhäuser mit verschiedenen nach Fachrichtungen geteilten Stationen. Der Einsatz einer Vielzahl von Pflanzen zur Heilung von Kranken spielte eine zentrale Rolle. Kaffee als Herzmittel, in Pulverform gegen Mandelentzündung, Ruhr und schwerheilende Wunden, Kampfer zur Herzbelebung oder auch Sennesblätter, Tamarinden, Cassia, Aloe oder Rhabarber als milde eröffnende (abführende) Mittel sind nur einige Beispele, die verabreicht wurden. Bei Operationen  wurde mit einem Schwamm, der mit einer Mixtur aus Haschisch, Bilsenkraut und Mandragona getränkt war, eine frühe Form der Allgemein-Narkose herbeigeführt, die dann später bis in die europäische Neuzeit hinein über Jahrhunderte vollständig in Vergessenheit geriet. 
im Mittelpunkt der therapeutischen Ansätze stand immer die Einheit von Körper und Geist. So ist es überliefert, dass Musik als therapeutisches Mittel zur besseren Genesung der Patienten eingesetzt wurde. In jedem Krankenhaus des 10. Jahrhunderts zwischen Himalya und den Pyrenäen –das arabische Reich hatte seine größte Ausdehnung erreicht - war die ärztliche Visite in den verschiedenen Abteilungen eines Krankenhauses zentraler Ausgangspunkt für jede Diagnose, und der Patient wurde, fast im Sinne moderner ganzheitlicher Methoden, nicht nur nach seinem körperlichen, sondern immer auch nach seinem geistigen Wohlbefinden befragt. Darauf basierend wurde dann die individuelle Behandlung und Diät vom Visite führenden Arzt festgelegt. Der berühmteste unter ihnen, der Arztphilosoph Ibn Sina, ist unter dem Namen Avicenna weit über seine Heimat Persien hinaus auch im Abendland bekannt geworden.
Heute versuchen Pharmakologen und Medizinhistoriker, dem verschollenen Wissen auf die Spur zu kommen. Fernsehsendungen wie die jüngst ausgestrahlte Folge von „ZDF-Expedition: Im Bann der grünen Götter. Die Ärzte der Kalifen“, beschäftigen sich mit diesem Thema. So sagte Avicenna über den Weihrauch im „Kanon der Medizin“, er hälfe und stärke den Geist - was nun durch iranische Pharmakologen im Tierversuch eindrucksvoll experimentell nachgewiesen wurde. Die „Arbeitsgruppe Klostermedizin“ der Universität Bayreuth versucht diesem verschollenen Wissen nun auch mit Hilfe der alten Schriften Avicennas auf die Spur zu kommen.

Rhases“ (Abu Bakr Muhammad bin Zakariya al Razi)
Vor ca. 600 Jahren besaß die medizinische Fakultät der Pariser Universität die kleinste Bibliothek der Welt. Sie bestand aus genau einem Werk: ein medizinisches Übersichtswerk eines der berühmtesten Ärzte der arabischen Medizin, dem auf dem medizinischen Campus in Paris noch heute ein Denkmal gewidmet ist. Der im Abendland als Rhases bekannt  gewordene Arzt lebte und wirkte in Chorasan von 865- 925 n. Chr.. Rhases studierte in Bagdad Medizin und wurde früh mit der griechischen und indischen Heilkunst vertraut, aber auch als Musiker und Chemiker machte er sich einen Namen. Er soll 237 naturphilosophische und medizinische Traktate und Schriften verfasst haben; neben Abhandlungen zur Physiologie, Pathologie, Therapie und Kasuistik aus eigener Praxis sind umfangreiche Werke zur Anatomie, Chirurgie und Toxikologie (auch über die Wirkung von Heilpflanzen) überliefert. Rhases beschrieb als erster die Pocken und die Masern und vermutete erstmalig, dass die Ursache für Infektionskrankheiten im Blut liegen könne. Viele seiner Werke wurden im Mittelalter von Mönchen ins Lateinische übersetzt. Das herausragende Erbe des Rhases ist die erstmals klar erkennbare Anwendung des Prinzips des wissenschaftlichen Augenscheins auch über das herrschende Dogma hinweg und die empirische Bewertung von Krankheiten und Symptomen. Rhases kann daher ohne Übertreibung als ein Pionier wissenschaftlicher Forschung angesehen werden.

Abulcasis (um 1000)
Abulcasis betonte die Bedeutung der Anatomie für eine kompetente Chirurgie: “....Wer sie (die Chirurgie) ausüben will, muss sich daher zunächst mit der Anatomie vertraut machen [...] muss sich Kenntnis der Knochen, Nerven, Muskeln [....] verschaffen (Chirurgie, ed. Chaning, 1778, Vol. I., S.2-4). Der einst im maurischen Spanien wirkende Abul Qasim-Halaf ibn al Abbas az Zahrawi (im Abendland „Abulcasis“ genannt) schrieb als Hofarzt der Kalifen von Cordoba sein Hauptwerk At Tasrif (Die Verordnung). Für chirurgische Operationen beschreibt es unter Anderem den Gebrauch von Schwämmen zur Narkose, die mit Opium und Mandroga getränkt wurden. Im Medizinmuseum von Damaskus kann man sich heute staunend die Vielzahl chirurgischer Instrumente anschauen, die im 12. Jahrhundert dort eingesetzt wurden und den heutigen im Einsatz befindlichen schon sehr nahe kamen. Das Wissen des Abulcasis fand über Gerhard von Cremona in der Übersetzerschule von Toledo Eingang in die europäische Chirurgie.

Ibn al Baitar („Sohn des Tierarztes“, 1197-1248)
Der im arabischen Malaga des 12.-13. Jahrhunderts lebende Arzt und Botaniker schrieb ein Buch über Arzneimittelheilkunde, das über 1400 pflanzliche Wirkstoffe aufführte. Er beschränkte sich nicht darauf, die umfangreiche zeitgenössische Literatur zu sichten, sondern bereiste jahrelang das maurische Spanien, Nordafrika und
Kleinasien, um sich durch eigenen Augenschein vom Niedergeschriebenen zu überzeugen. Damit fasste er das gesamte pharmakologische Wissen über Heilpflanzen seiner Zeit zusammen. Dieses Wissen ging über die Klöster und Übersetzerschulen auch ins Abendland ein. 

Ibn an Nafis
Ibn an Nafis entdeckte den Blutkreislauf 400 Jahre vor dem „offiziellen Entdecker“ Harvey. Dies wurde auf spektakuläre Weise im Jahre 1924 von einer medizingeschichtlichen Dissertation an der Universität Freiburg im Breisgau nachgewiesen. Ibn an Nafis erkannte, dass das Blut über die Lunge von der rechten Herzkammer in die linke fließt.

Weitere berühmte Persönlichkeiten der arabischen Medizin waren Avenzoar, der als Erstbeschreiber der Krätzmilbe gilt und somit als früher Parasitologe bekannt wurde, der Aristoteles-Kommentator Averroes und sein Schüler Maimonides, die im maurischen Spanien wirkten und bedeutende Werke zur 
Ernährung, Hygiene und Toxikologie verfassten.

Avicenna – der Fürst der Ärzte 
Avicenna war und ist sicher der bekannteste Vertreter aus der Schule der arabischen Medizin des Mittelalters im Abendland. Sein bekanntestes Werk, der „Kanon der Medizin“ wurde bereits 1279 ins Hebräische und später ins Lateinische übersetzt. Noch um 1650 herum galt es in manchen europäischen medizinischen Fakultäten als Standardwerk. In Persien lebt das Wissen des Avicenna in der Volksmedizin bis heute fort. Er war nicht nur Mediziner, sondern auch Philosoph und Universalgelehrter. Er sammelte im „Kanon der Medizin“ das Heilpflanzenwissen seiner Zeit und wendete es geschickt zur Heilung von Krankheiten an. So schrieb er über den Weihrauch: „Er nützt dem Verstand und stärkt ihn“. Im „Kanon der Medizin“ wird für eine vergleichbare Wirkung die Einnahme mit zermahlenem Honig empfohlen. Erkenntnisse, die aus Forschungen der modernen Medizin bestätigt werden: im Verhaltensversuch mit Laborratten konnte vor Kurzem eine positive pharmakologische Wirkung auf die Gedächtnisleistung sowohl für Weihrauch als auch für Honig nachgewiesen werden.
Zum Weihrauch werden neun Anwendungen beschrieben.

Avicenna über die Herkunft des Weihrauchs, seine Konsistenz und Anwendungen (Aus: Kanon der Medizin, Band 1, S.555, Übersetzung: Dr. med. H. Bustami, Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren):

Herkunft:
Aus dem Lande, das die Griechen Kundur nannten (Indien?, d. Red.) Al Merbaat genannt, brachten die Seekaufleute, die von fremden Winden an die Küsten dieses Landes verschlagen wurden, große Mengen des Weihrauchs mit. 
Beschreibung:
Diese Substanz hat eine rundliche Form und  gelblich oder -auberginenfarbenes Aussehen. Die Farbe wird mit der Zeit zunehmend weißlich gelb. Bei der Ernte der Substanz (von dem Baum) muss die Oberfläche trocken sein. Die beste Sorte ist die von weißer Farbe [.....]
Anwendung:

Einnahme: 
Mit etwas Honig gelöst zur Stärkung des Verstandes [.....]
Für äußere Anwendung gegen eitrige Wunden, Insektenstiche mit Essig oder Öl verrühren und aufgetragen auf die betroffenen Hautstellen [....] verhindert der Weihrauch die Ausbreitung von dem Schlechten (hier ist die Ausbreitung der Infektion gemeint, d. Red.) auf andere Körperteile.

Abbildung: 

Avicenna (Ibn Sina, 980-1037), Autor des berühmten 5-bändigen „Kanons der Medizin“, das bis weit ins 17.Jahrhundert hinein an allen großen abendländischen Universitäten und Lehrstätten für Medizin als Grundlagenwerk der Ärzteausbildung angesehen wurde. Neben umfangreichen Krankheits-beschreibungen – unter Bezugnahme auf antike und zeitgenössische Gelehrte, aber auch auf vielen eigenen empirischen Beobachtungen basierend – beinhaltet der „Kanon der Medizin“ auch eine Rezeptsammlung mit rund 800 Anwendungen von Heilpflanzen  - oder Kombinationen dieser – zur Behandlung von Krankheiten. (Abbildung mit freundlicher Erlaubnis entnommen aus der Online-Bildergalerie der „Clendening History of Medicine Library, University of Kansas Medical Center, USA)

 (Autor: Dr. rer. nat. Hussam Peter Bustami, Übersetzung: Herr Dr. med. Hatem Bustami, Facharzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren)


Literatur/Quellen:
- Dietrich v. Engelhardt, Fritz Hartmann: „Klassiker der Medizin Band I: Von Hippokrates bis Hufeland“. Verlag C. H. Beck, 443 S., München 1991.
- Sigrid Hunke: „Allahs Sonne über dem Abendland: Unser arabisches Erbe“. Fischer Verlag, 376 S. Lizenzausgabe 1995
Frankfurt a. M.. Originalausgabe in: „Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart“, Stuttgart 1960
- „Kanon der Medizin“, Neuauflage, 4 Bände, Verlag Izz al Din, Beirut, Libanon1987.
- ZDF-Expedition: „Im Bann der grünen Götter – die Ärzte der Kalifen“, ZDF 2004



Erneuerung der altarabischen Musiktradition (820–1250)

War in der altarabischen Epoche Medina die musikalische Hauptstadt der arabischen Welt, so wurde ihr dieser Rang jetzt von einer anderen Metropole abgenommen: Bagdad. Hier wurden neue Musikformen geschaffen und man versuchte zunehmend sich von den alten Traditionen zu lösen, um Neues zu schaffen. Einen großen Teil trug auch der persische Einfluss dazu bei, da auch die Perser über eine blühende Musikkultur verfügten.

Später zerstritten sich Anhänger und Gegner der musikalischen Reform und Ziryab, einer der wichtigsten Erneuerer, verließ Bagdad nach einem Streit mit seinem Meister al-Mausili, der sein Aufstreben nicht dulden wollte. Ziryab ging nach Córdoba in Spanien und brachte so die arabische Musizierkunst dorthin. Hier gründete er seine eigene Musikschule, in der die traditionelle altarabische Musik weiterentwickelt wurde und so einen Grundstein der andalusischen Musik (andalusi) legte.

In dieser Zeit entstanden überwiegend in Bagdad die großen Abhandlungen über Tonsysteme und Musik, (aus dem andalusischen Teil ist nur wenig überliefert). Hier finden sich die frühesten Überlieferungen musikalischer Natur, zwar keine konkreten Kompositionen oder Melodien, wohl aber Tonleitern, rhythmische Formeln sowie Griffbilder für die Ud. In den später entstandenen Werken, wie z.. B. dem Kitab al-adwar, dem „Buch der Modi“ von Safi ad-Din al-Urmawi finden sich skelettnotationsartige Skizzierungen einzelner Melodien.



Übersetzerschule von Toledo

Übersetzerschule von Toledo ist ein im frühen 19. Jahrhundert von Armand Jourdain geprägter, in der Forschung heute mit kritischen Vorbehalten verwendeter Begriff, unter dem verschiedene Aktivitäten der Übersetzung aus dem Arabischen zusammengefasst werden, die seit dem 12. Jahrhundert in Toledo nachweisbar sind. Es handelte sich dabei nicht um eine Schule im Sinne einer Institution, sondern um verschiedenartige Aktivitäten der Übersetzung, die durch den Kontakt zwischen arabischkundigen Mozarabern und Juden mit Romanen bzw. lateinischen Autoren ermöglicht und zum Teil durch bischöfliche oder königliche Initiative gefördert wurden.

Die erste etwa von 1130 bis 1187 andauernde Phase der Übersetzungen war durch Erzbischof Raimund von Toledo geprägt. Übersetzt wurden wissenschaftliche und philosophische Schriften (Platon, Aristoteles) antiker Provenienz, die unter der Abbassiden-Herrschaft in Madīnat as-Salām aus dem Griechischen ins Arabische übertragen worden waren, aber auch genuin arabische Schriften, etwa aus dem Bereich der Astronomie und Mathematik, sowie Schriften zur Kenntnis islamischer Religion und Theologie. 1142 kam der Abt von Cluny, Petrus Venerabilis, nach Spanien und gab eine Übersetzung des Korans in Auftrag, die 1143 durch Robert von Ketton, Hermann von Carinthia, Petrus Alfonsi und dem Sarazenen Mohammed fertiggestellt und vom Sekretär des Abtes, Peter von Poitiers, sprachlich überarbeitet wurde.

Im 13. Jahrhundert gingen neue Übersetzungsinitiativen von Alfons X. und seinem Hof aus, wobei nun nicht mehr die Übersetzung ins Lateinische, sondern die ins Kastilische im Vordergrund stand und hierbei speziell der Dialekt des toledaner Hofes eine sprachlich normierende Rolle spielte. Thematisch bildeten Astronomie, Physik, Alchemie und Mathematik den Schwerpunkt, aber auch Spiele und orientalische Literatur sowie Werke zur Kenntnis der islamischen Religion wurden übersetzt. Unter Alfons X. blieben solche Aktivitäten nicht auf Toledo beschränkt, sondern dehnten sich, zum Teil abhängig vom Aufenthalt des Hofes, auch nach Sevilla aus.

Da Schriften mit einer Vielzahl von im Westen bis dahin noch nicht oder wenig bekannter wissenschaftlicher Themen zu übersetzen waren, standen die Übersetzer vor der Aufgabe, geeignete Übersetzungen für arabische Wörter zu finden, für die in der Zielsprache noch kein Äquivalent existierte. Sie lösten diese Aufgabe vielfach durch Entlehnungen aus dem Arabischen und trugen so wesentlich dazu bei, dass bis heute ein wesentlicher Teil des wissenschaftlichen und technischen Wortschatzes in den europäischen Sprachen arabischen Ursprungs oder arabisch aus anderen orientalischen Sprachen vermittelt ist.

Resümierend lässt sich festhalten, dass die „Übersetzerschule von Toledo“ somit in institutionalisierter Form wohl weder als Lehranstalt noch als Übersetzungsanstalt mit fester Infrastruktur bestand. Doch auch wenn der institutionelle Rahmen für die Übersetzungstätigkeiten, die als solche sicher belegt sind, in Toledo ungewiss ist, so bestehen Hinweise auf eine Lehrtätigkeit der Übersetzer und eine prinzipielle Duldung und Unterstützung dieser Aktivitäten durch die Erzbischöfe. Von einer gewissen Institutionalisierung der Übersetzungstätigkeit kann höchstens in der Epoche unter Alfons X. gesprochen werden, da der Regent unmittelbar als Auftraggeber und Korrektor in Erscheinung trat.

Übersetzungen der Werke von:

Algazel – Averroes – Rhazes - Solomon ibn Gabirol (Avicebrón) - Ibn Sina (Avicenna) - Alfonsinische Tafeln - Das Schachbuch Alfons des Weisen

Die großen Berberreiche des 12. Jahrhunderts
(aus: U. Haarmann, Geschichte der arabischen Welt, München 2004, S. 305 )

Freilich gelang den Almohaden, die als energische, aber ungebildete und brutale Kämpfer die Bühne der Geschichte betraten, die Schaffung einer bedeutenden Zivilisation. Von ihren Bauleistungen wurde schon gesprochen. Bereits Abd al-Mu'min, nicht erst seine „hispanisierten" Nachfolger, erbaute die beiden Kutubiyya-Moscheen von Marrakesch (die erste wurde unmittelbar nach ihrer Fertigstellung wegen fehlerhafter Bestimmung der Gebetsrichtung abgerissen). Die almohadischen Paläste sind alle - ausgenommen einige ihrer Umwallungen, wie diejenige des Alcázars von Sevilla - verschwunden, ebenso das große, von al-Mansur erbaute Hospital von Marrakesch. Ohne Zweifel wurde in almohadischer Zeit der Höhepunkt der hispano-arabischen Baukunst erreicht.

Wir sprachen schon von den Philosophen. Hier müssen wir noch Ibn Bagga ("Avempace") in Sevilla erwähnen, der aber nicht nur als Philosoph, sondern auch als bedeutender Musiktheoretiker in die Kulturgeschichte eingegangen ist (im islamischen Bereich ist die Musik vor allem eine Naturwissenschaft). In seiner Zeit und mit durch ihn entstand die ,,andalusische" Musik (ma'luf), die heute noch die klassische Musik Nordafrikas darstellt. Mit Recht berühmt ist al-Andalus für seine Pharmakologen und Botaniker; genannt seien al-Gafiqi und dessen Schüler Ibn al-Baytar (gest. 1248) aus Malaga, die auf der durch die Übersetzung der „Materia medica" des Dioskorides geschaffenen Grundlage weiterbauten. Wirtschaftlich erlebte das Almohadenreich zu seinen Blütezeiten einen gewaltigen Aufschwung. Werften waren in Alicante und maghrebinischen Häfen in Betrieb. In Almeria allein standen achthundert Seidenwebstühle; das Papier aus Játiva (satibi), Ceuta (sabti) und Fes war hochberühmt.

Entsprechend florierte der Handel. Städte wie Ceuta und vor allem Tunis handelten mit Pisa, Genua, Venedig und Marseille; letztere Stadt ließ in Montpellier Münzen prägen, die in Bigaya, Oran und Tlemcen abgesetzt wurden. Eine mächtige Flotte schützte diesen Warenverkehr und die Küsten des Reiches, eine gewaltige Armee (mit christlichen und auch bereits türkischen Kontingenten) das Land.



siehe auch Wikipedia

al-Andalus

Emirat und Kalifat von Córdoba



Arabische Kultur Teil II ->

© Reinhart Gruhn, Kempten dr.gruhn@g21.de